Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und Volkshilfe: Die Grundversorgung neu organisieren – Sechs Lösungsansätze

Hilfsorganisationen präsentieren Vorschläge für eine umfassende und österreichweite Reform der Grundversorgung im Asylverfahren.

Die Grundversorgung für Menschen im Asylverfahren in ihrer derzeitigen Form gibt es seit Mai 2004, also seit 20 Jahren. Sie löste die damalige „Bundesbetreuung“ für Geflüchtete ab. Bahnbrechend war, dass Schutzsuchende nun nicht mehr auf die Versorgung durch karitative Organisationen angewiesen waren und erstmals ein Rechtsanspruch auf Versorgung bestand. Angesichts vielfältiger rechtlicher und praktischer Herausforderungen ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, den nächsten Meilenstein zu setzen: Die in der Grundversorgung tätigen Organisationen der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) präsentierten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Lösungsansätze für eine umfassende und österreichweite Reform der Grundversorgung im Asylverfahren. Dringend erforderlich sind ausreichende Unterbringungskapazitäten, Unterbringung in geeigneten Unterkünften, ein geregelter Übernahmeprozess zwischen Bund und Ländern, bundesweit einheitliche Betreuungs- und Beratungsstandards, kostendeckende Finanzierung einer menschenwürdigen Unterbringung und Betreuung, Integration ab Tag 1 und leistbare Mobilität.

Ausreichende Unterbringungskapazitäten auf Bundes- und Landesebene

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich und derzeit BAG-Vorsitzende: „Zielgruppe der Grundversorgung sind Menschen, die während ihres Asylverfahrens untergebracht und versorgt werden müssen, und zwar für einen überschaubaren Zeitraum. Es kann definitiv nicht das Ziel der Grundversorgung sein, Menschen mit Schutzstatus und Arbeitsmarktzugang – wie beispielsweise ukrainische Vertriebene – langfristig unterzubringen.“ Ein Blick auf die Zahlen zeige allerdings, dass im April 2024 nur 17.250 der 74.740 grundversorgten Personen Asylwerber*innen waren. Ausreichende Unterbringungskapazitäten seien unerlässlich, so Parr. „Um Menschen in der Grundversorgung qualitativ adäquat unterbringen zu können, müssen ausreichend Kapazitäten auf Landes- und Bundesebene vorhanden sein. Und zwar in der Regelbetreuung und in der Betreuung von spezifischen Zielgruppen, beispielsweise vulnerablen Personengruppen wie Frauen und Kinder oder alte Menschen.“

Diakonie: Unterbringungsformen

Für die BAG-Organisationen ist es von entscheidender Bedeutung, dass Menschen während des Asylverfahrens in menschenwürdigen und geeigneten Quartieren untergebracht sind. „Insbesondere die Bedürfnisse von vulnerablen Personen müssen endlich berücksichtigt werden“, sagt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, und nennt Menschen mit Behinderungen und unbegleitet geflüchtete Kinder und Jugendliche als Beispiele. „Aktuell werden unbegleitete Kinder und Jugendliche in Großquartieren des Bundes untergebracht – und bleiben dort oft über Monate, obwohl sie in ein geeignetes Quartier in einem Bundesland weitergebracht werden sollten.“ So kommt es immer wieder vor, dass einem zwölfjährigen Kind in Traiskirchen nur für ein paar Stunden ein Remuneranten-Papa, der selbst geflüchtet und in Traiskirchen untergebracht ist und mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat, zur Seite gestellt wird. Dieser „Papa“ bekommt dafür ein paar zerquetschte Euro. Es gibt keine Obsorge-berechtigte Person, die sich um das Wohl des Kindes kümmert. Und Moser kritisiert: „Das ist unhaltbar. Das verletzt das in der Bundesverfassung und in der Kinderrechtekonvention festgelegte Recht auf die vorrangige Beachtung des Kindeswohls.“ Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und Volkshilfe fordern daher Obsorge ab dem ersten Tag, und dass Kinder und Jugendliche nicht mehr in Erstaufnahmequartieren, sondern in eigenen, auf sie ausgerichteten Quartieren mit entsprechendem pädagogischen Fachpersonal untergebracht werden.

Volkshilfe: Betreuungs- und Beratungsstandards, Finanzierung

Für den Direktor der Volkshilfe Österreich, Erich Fenninger, „ist es wichtig, in der Betreuung von schutzsuchenden Menschen den nächsten Schritt zu machen. Das bedeutet, den Betreuungsschlüssel zu verbessern, derzeit muss sich eine mobile Betreuerin um 140 Geflüchtete kümmern. Für die Betreuung brauchen wir einheitliche Standards und dafür braucht es einfach mehr Geld von Bund und Ländern. Für die Abgeltung von Kostensteigerungen, die Finanzierung von Vorhaltekapazitäten, die Finanzierung einer Auslastungsgarantie, Übernahme von Eröffnungs- und Schließkosten von Quartieren und viele andere Punkte. Denn derzeit wird die staatliche Aufgabe der Flüchtlingsbetreuung mit Spendengeldern aufrechterhalten, das darf einfach nicht zum Normalfall werden. Daher appelliere ich an die verantwortlichen Politiker*innen, nicht vorrangig an den nächsten Wahltag zu denken, sondern an schutzsuchende Menschen, die unsere Solidarität brauchen.“

Rotes Kreuz: Integration ab Tag 1

Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes: „Jeder Mensch, der nach Österreich kommt, bringt Fähigkeiten und Talente mit sich, von denen die gesamte Gesellschaft profitieren kann. Was im Hochleistungssport – zum Beispiel in der Fußball-Bundesliga – kein Problem ist, nämlich die Integration ab Tag 1, ist in unserem gesellschaftlichen Alltag aber oft mit großen Hürden verbunden. Um im gesellschaftlichen Teamgefüge mitspielen zu können, braucht es das notwendige Training. Konkret heißt das: ausreichende Zugänge zu Deutschkursen, eine frühe Perspektivenabklärung, jährliche Indexanpassungen der Grundversorgung für ausreichende finanzielle Mittel. Hier sind entsprechende Maßnahmen nötig, um Menschen in der Grundversorgung nicht ins Abseits zu stellen und eine gelungene Integration zu ermöglichen.“

Leistbare Mobilität ermöglichen

„Menschen in der Grundversorgung müssen in ihrem Alltag mobil sein: Sie müssen zur Ausbildungs- oder Arbeitsstätte gelangen oder ihre Kinder in die Schule begleiten“, erklärt Anna Parr. „Das könnte mit einem kostengünstigen Ticket für den öffentlichen Verkehr gewährleistet werden.“ Derzeit werden nämlich nur Fahrscheine für bestimmte Wege wie Arztbesuche oder das Bringen und Abholen von Kindern im verpflichtenden Kindergartenjahr abgegolten; für alle anderen Fälle ist kein Fahrkostenersatz vorgesehen.

Download des Positionspapiers der Bundesarbeitsgemeinschaft freie Wohlfahrt: Die Grundversorgung verbessern: Sechs Lösungsansätze (pdf)